Wie kennen ihn alle, den normalen Schulalltag. Um 6 Uhr aufstehen, mit Auto, Bus oder Bahn in die Schule fahren, bis zu 10 Stunden still, konzentriert sitzen und Dinge lernen, die einen eigentlich gar nicht so wirklich interessieren. Danach geht’s wieder heim, denn man muss ja noch schnell 10 Seiten für den Test morgen auswendig lernen; Wissen, dass man bereits übermorgen schon längst wieder vergessen hat.
13 Jahre lang war das Alltag für mich und zahlreiche andere Menschen.
Als ich mit 18 Jahren das Schulgebäude nach der Matura verlassen habe, kam eine Frage in mir auf: „Was weiß ich jetzt eigentlich?“. Das ganze Wissen, das ich in den letzten 13 Jahren auswendig gelernt hatte, war nicht mehr da, weil ich es nur für den Test gelernt hatte oder es war nicht mehr relevant.
Was habe ich in der Schule gelernt? Ich habe gelernt, wie ein Induktionsherd funktioniert, wie man eine Integralrechnung durchführt und wie man eine Textinterpretation formuliert.
Ist es wirklich wichtig, dass jede Person die chemische Formel für die Photosynthese auswendig kann, oder ist es vielleicht sinnvoller, wenn wir alle lernen würden, mit Frust, Trauer und Wut umzugehen.
Ist es wirklich wichtig, dass wir alle Goethes Faust gelesen haben, oder ist es vielleicht sinnvoller, wenn wir alle ein grundlegendes Verständnis vom Politischen System hätten, in dem wir aufwachsen?
Emotionale Bildung und Politische Bildung sind zwei Bereiche, die im jetzigen Schulsystem fast gar keine Rolle spielen. Paradoxerweise sind das aber genau die zwei Bereiche, mit denen wir alle früher oder später konfrontiert werden. Wir alle müssen mit unseren Emotionen umgehen und wir alle leben in einer politischen Gesellschaft, die in der Lage sein muss, Krisen, wie die Klimakatastrophe, zu bewältigen.
Wie sollen sich junge Menschen in einer Welt zurechtfinden, wenn wir die Gesellschaft aus dem Schulgebäude aussperren?
Stellen wir uns für einen Moment eine Schule vor, in der Allgemeinbildung zweitrangig ist. Im Vordergrund steht zum einen „Leben lernen“, Psychologie und Kommunikation. Stellen wir uns vor, wir alle würden von klein auf lernen, mit unseren Emotionen umzugehen und diese zu kommunizieren und uns gegenseitig zuzuhören. Empathie als ein leitender Stern in Gesprächen. So viele Konflikte im Laufe des Leben würden leichter lösbar werden.
Zum anderen wird ein Fokus auf politische Bildung gelegt. Aber politische Bildung, die sich nicht darauf beschränkt, wie viele Abgeordnete jeder Partei im Parlament sitzen und wie die aktuellen Minister*innen heißen. Es soll politische Bildung geben, bei der politische Partizipation im Mittelpunkt steht. Die Kinder und Jugendlichen sollen verstehen, dass sie eine Stimme haben und sie etwas bewirken können. Eine politische Bildung, die unangenehme Fragen stellt, wie „Woher kommt die globale Ungleichheit und lässt sich daran was ändern?“. Politische Bildung, die die Welt global betrachtet und Probleme intersektional behandelt.
Wie würde unsere Gesellschaft wohl aussehen, wenn wir alle diese Schulbildung genießen könnten? Es wirkt utopisch und ein bisschen unvorstellbar, aber vielleicht wird es eines Tages möglich sein, Schule neu zu denken.