„Soll den Kindern der Gegenwart eine Chancengleichheit in der digitalen Arbeitswelt der Zukunft ermöglicht werden, müssen sie in einem nichtdigitalen Bildungssystem aufwachsen“, propagierte Konrad Paul Liessmann vor wenigen Wochen in einem Kommentar. Doch die Digitalisierung des Bildungssystems hat längst begonnen. Nun stellt sich die Frage, wie schnell die digitale Veränderung vonstattengehen soll.
Konrad Paul Liessmann ruft zur Beibehaltung des konservativen Bildungsapparates auf und verbannt jegliche schulpädagogischen Vorteile, die durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel im Unterricht erreicht würden. Des Weiteren beschreibt er eine automatisierte Welt, in der das Nichtwissen zum Wissen wird, Individualität und Diversität unterdrückt werden und absurde Kontrollmechanismen Abhängigkeiten zwischen den Menschen auslösen.
Computer haben die Weltherrschaft an sich gerissen, digital verfasste Aufsätze führen zum Verlernen des Schreibens und die Nutzung von sozialen Medien verursacht bei Jugendlichen Idiotie und mangelnde Empathie. Als nächstes kommt die Anschuldigung, dass die junge Generation von Computern und dem Internet Gedanken gesteuert wird. Liessmann hat vermutlich eine Kutsche statt einem Auto, er sucht Informationen in Lexika statt in einer Suchmaschine und verwendet als Kommunikationsmittel ein Telefon mit Drehscheibe statt einem Mobiltelefon. Er sollte sich lieber bei Pinocchio entschuldigen als exorbitante Forderungen, wie die Zurückversetzung des Bildungssystems in die Steinzeit, zu stellen.
“Chief Digital Officer“, „Chief Marketing Technologist“ oder „Big Data Scientist” sind Berufe, die es nur aufgrund der Digitalisierung gibt. Anstatt die Vorteile des jungen technologischen Zeitalters auch im Schul- bzw. Bildungssystem zu nutzen und deren richtiger Verwendung zu lernen, haftet sich die ältere Generation an ihre konservativen Ideale.
Das Rechnen mit dem Taschenrechner erleichtert Schüler*innen den Mathematikunterricht. Komplexe Rechenbeispiele werden dadurch aber nicht gelöst. Viele schreiben gerne ihre Aufsätze auf dem Laptop. Der Stil und der Ausdruck ändern sich dadurch aber nicht. Weiters würden wahrhaft wunderbare Wohltaten, wie das Digitalisieren von Schulbüchern oder das Mitführen einer digitalen Mitschrift, viele Jugendliche vor Freude jubeln lassen. Darüber hinaus würde die Etablierung digitaler Lernplattformen im Schullalltag die Selbstorganisation vieler Schüler*innen fördern.
Die Digitalisierung der Interaktion zwischen Jugendlichen birgt eine enorme Herausforderung für die Gesellschaft. Es darf nicht zur Gewohnheit werden, dass Schüler*innen in der Pause lieber die digitalen sozialen Medien verfolgen, anstatt persönliche Gespräche mit ihren Klassenkamerad*innen zu führen. In diesem Fall hätte Liessmann mit seiner These, dass die junge Generation aufgrund der Digitalisierung der Idiotie verfalle, Recht gehabt.