Die Hausfrau* als Produkt des Kapitalismus

Meine Freundinnen und ich sitzen beisammen und sprechen über alltägliche Dinge. Der Partner der einen Freundin mache kaum etwas im Haushalt. Auch ich habe mehr zu berichten, als mir lieb ist. In meiner heterosexuellen Beziehung bin überwiegend ich diejenige, die, hauptsächlich aus Selbstschutz vor einer Unterernährung, kocht. Der Partner der anderen Freundin wolle, wenn sie Kinder bekämen, nicht in Karenz gehen, falls er mehr verdiene als sie – was, unter Heranziehung aktueller Statistiken zum „Gender Pay Gap“, ziemlich wahrscheinlich ist – denn das wäre ja „dumm“. Wir alle haben uns schon mehrmals darüber Gedanken gemacht, wie man Karriere und Kind unter einen Hut bringen könnte. Bei unseren Partnern scheint dies kein Thema zu sein, was solle ihrer Karriere denn im Wege stehen? Wieso sollte sie etwa ein Kind oder mehrere an dieser Karriere hindern?

Dieses Gespräch zählt zu einem der fast alltäglichen Begebenheiten, die zeigen, wie Hausarbeit und Kindererziehung selbstverständlich der Frau* zugeschrieben werden. Unsere Gesellschaft und Sozialisation ist dermaßen von stereotypen Rollenbildern gebrandmarkt, dass auch heute noch betont und gelobt wird, wenn der männliche oder als männlich gelesene Partner die Windeln des Kindes wechselt und im Haushalt „hilft“, obwohl er zusätzlich noch 40 Stunden pro Woche arbeitet! Die Wertschätzung der heutzutage oftmals doppelten Arbeit, der bezahlten Lohn- und unbezahlten Hausarbeit, von Frauen* wird dadurch vollkommen ausgeschlossen.

Hausarbeit und Kindererziehung werden wirtschaftlich, wissenschaftlich und gesellschaftlich nicht als Arbeit an sich angesehen, da sie, vor allem in westlichen Gesellschaften, durch die nicht existierende Entlohnung unsichtbar und entwertet werden. Hingegen der vorherrschenden Auffassung, Frauen* seien durch ihre Fürsorglichkeit besser für Hausarbeit und Erziehung geeignet, entwickelte sich diese unsichtbare Arbeit der Frau* erst im 17. und 18. Jahrhundert durch die Entstehung des Kapitalismus und existierte in einer vorkapitalistischen Gesellschaft noch gar nicht.

In der vorkapitalistischen Gesellschaft galt die Familie nicht als Bund von sich liebenden Individuen, sondern als Gesamthaushalt, in welchem die essenzielle Zusammenarbeit der Frauen*, Männer* und Kinder gemeinsam das Notwendigste produzierte, um zu überleben. Arbeit und Haus waren noch nicht getrennt. Kein „privater“ Bereich bedeutete keine abgegrenzte, unsichtbare „Hausarbeit“ und vor allem auch keine Kindererziehung, da die Kindheit als solche durch die Notwendigkeit der Arbeitskraft des Kindes nicht existierte. Das allgemeine Bewusstsein dieser sichtbaren, unentbehrlichen Arbeit verlieh Frauen*, trotz rechtlicher Unterdrückung, gesellschaftliche Macht.

Als durch das Aufkommen der Maschinen Ende des 19. Jahrhunderts die bezahlte Hausarbeit der überwiegend weiblichen oder als weiblich gelesenen Hausangestellten entbehrlich und zur unbezahlten Aufgabe der Hausherrinnen wurde, verlor diese Arbeit ihren ökonomischen, bezahlten Charakter. Ab diesem Zeitpunkt wird Hausarbeit nahezu als Gabe der Frau* stilisiert, eine fürsorgliche Ehefrau, Mutter und Hausfrau zu sein.

Für die durch den Kapitalismus ausgelöste, unausweichliche Effizienzsteigerung der Fabriken oblag es der Frau* eine gut genährte, motivierte und erholte männliche oder als männlich gelesene Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Sie war für das Wohlbefinden des Ehemannes*, also des Lohnarbeiters*, verantwortlich. Dadurch wurde auch die sexuelle Hingabe für die Frau* zur Arbeit, welche den Mann* befriedigen sollte. Ein Entkommen aus diesem Zwangsverhältnis gab es nicht, da die ökonomische Abhängigkeit der Frau* diese Verhältnisse sicherstellte.

Die Verbindung von Frauen*, Hausarbeit und Kindererziehung ist also nicht biologisch begründbar, sondern das Ergebnis einer bestimmten historischen Entwicklung. Wenn also meine Freundinnen und ich gerne kochen, putzen und in Karenz gehen, ist daran überhaupt nichts verwerflich oder „nicht emanzipiert“. Wenn diese Dinge aber von der Gesellschaft, von Männern* als auch von uns Frauen* selbst, als implizit selbstverständlich und unsere obligatorische Aufgabe angenommen werden, ist es ein Problem. Um dieses Problem zu lösen, muss das System geändert werden. Lediglich die Entlohnung der unsichtbaren Arbeit, welche Frauen* leisten, kann zu Sichtbarkeit und Wertschätzung dieser führen.

Quelle: Bock, Gisela/Duden, Barbara, Arbeit aus Liebe, Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hrsg.), Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen Juli 1976, Berlin 1977, S. 118–199.

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