Der Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine war für viele Beobachter keine Überraschung. Aber weshalb eigentlich? Wurde nicht anfangs oft mit der Überschrift „Putins Krieg“ der Beginn des Kriegs auf einen einzigen Drahtzieher reduziert? Putin wurde und wird als böser, bellizistischer Machthaber beschrieben, der als Einziger den Beginn des Ukraine-Krieges zu verantworten hat. Man macht es sich mit dieser Erklärung zu einfach.
Die russische Staatsphilosophie als solche, die insbesondere durch Neo-Faschisten wie Alexander Dugin vertreten und gefördert wird, hat sich schon länger mit der „Notwendigkeit“ des Angriffskrieges als solches beschäftigt und es versucht theoretisch zu begründen. Sehen wir uns diese Weltanschauung also genauer an.
Dugins Philosophie könnte man als einen Cocktail aus faschistischen Ideologien, okkulten, esoterischen, eschatologischen, mystischen Ideen, Neo-Eurasianismus und Antiamerikanismus bzw. Anti-Westen-Ideologie allgemein verstehen. Diese Weltanschauung zu verstehen, ist nicht einfach. Das macht sie sich auch zunutze, da sie einer wissenschaftlich gründlichen Prüfung nicht standhalten kann. Aber diese Ideologien haben sich noch nie an die moderne Logik gehalten, sondern sie eben von Grund auf verteufelt und mit ihr die gesamte Moderne an sich. Schwierig wird es trotzdem, denn sie verkauft sich immer öfter als intellektuelle Ideologie, als erleuchtet und als einzig wahre Philosophie an die Öffentlichkeit.
Basis dieser Weltanschauung ist die Annahme, dass es besondere Rassen und Kulturen gibt, die von vornherein bestimmt sind, über andere Rassen und Kulturen zu herrschen. Diese Weltsicht wurde in einer anderen, aber ähnlichen Form von den Nazis geteilt, die die Vernichtung von „minderwertigen Kulturen“ durch die höhere Stellung der „Herrenmenschen“ als notwendig begründet sahen. Dugin sieht Russland in der Geopolitik in einer höherwertigen Position und plädiert für ein eurasisches Imperium, also eine quasi-Weltherrschaft. Für Dugin ist die USA und damit auch die gesamte westliche Welt und deren Wertsystem „verdorben und dem Untergang geweiht“. Er bezieht sich häufig auf historische Ideen, u. a. von Karl Haushofer. Aber die vorher erwähnten mythischen Ideen kommen auch nicht zu kurz: Russland sei von Anbeginn der Zeit dazu bestimmt einen, irgendwann stattfindenden, Endkampf zu gewinnen.
Dieser spektakuläre Krieg soll letzten Endes das Ungleichgewicht der Welt, besonders das Leiden der europäischen Staaten unter der US-Hegemonie (zu denen besonders die Ukraine zählen würde, daher auch die Legitimation des Krieges!) beenden. Russland müsse als Erlöser und als Sieger über den Teufel aus dem Kampf hervortreten und fortan die Weltpolitik beherrschen. Führt man diese Argumentationslinie weiter, so kommt man unweigerlich zum Schluss, dass eine Ideologie, die ständig zwischen Todesangst und Expansionswahn steht, den Kampf und den Krieg als notwendiges Mittel ansieht.