„Und? Wen hast du dieses Jahr bei der Bundestagswahl gewählt, wenn ich das fragen darf?“
Selten wurde ich so oft als Deutsche von verschiedensten Seiten gefragt, wofür ich mich bei der deutschen Bundestagswahl 2021 entschieden hatte. Wahlgeheimnis hin oder her, auf einmal schien jeder in meinem Umfeld stolz darüber gewesen zu sein, wenn man von sich berichten konnte, die Grünen oder die SPD gewählt zu haben. Ob man dies aus wahlstrategischen Motiven oder aus rein persönlicher Präferenz heraus getan hat, sei mal so dahingestellt, jedoch schien die Richtung meiner privaten Bubble klar: Hauptsache keine CDU und erst recht keine AfD.
Die Bundestagswahl in Deutschland wurde vielfach als eine der wichtigsten Wahlen seit Langem bezeichnet. In verschiedensten Medien, analog als auch digital: fast überall wurde stets an die jungen Wähler*innen appelliert, zur Wahl zu gehen und sich zahlenmäßig gegenüber der zunehmend alternden Wählerschaft in Deutschland zu behaupten. Im Gegenzug wurden jedoch auch die älteren Generationen aufgefordert, sich bei ihrer Wahlentscheidung solidarisch mit den Jungen zu zeigen und deren Zukunft aktiv mitzubestimmen. Wirft man einen Blick auf die demografischen Daten, wurde schnell klar, dass Generation Y, Z und die Millenials zusammen nicht einmal annähernd eine Chance auf eine signifikante Wahlbeeinflussung hatten. Deshalb schien es umso wichtiger, seine eigenen Wähler*innenpräferenzen vor alles andere zu stellen. Was jedoch tun, wenn man dies nicht kann? Was, wenn einem andere Gründe dazu überzeugen, (teilweise) gegen seine eigenen Prinzipien zu wählen?
Ein möglicher Grund, seine eigenen Präferenzen hinten anzustellen, können zum Beispiel die eigenen Eltern sein. Damit soll nicht suggeriert werden, dass sie einen aktiv überredet beziehungsweise beeinflusst haben – es können bereits kleinere Details wie der Beruf sein, die junge Wähler*innen beim Setzen ihres Kreuzes umstimmen. Egal ob Soldat*in, Beamter*in oder Selbstständiger*in, unter anderem diese Berufe haben positiv von den Regierungsperioden der CDU profitieren können, da ihnen stets größere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Dies könnte sich jedoch mit der potenziellen Ampelkoalition ändern. Plötzlich schien man sich mit einer Art Dilemma konfrontiert: wähle ich so, wie ICH es will, oder wähle ich andere entgegen meinen Präferenzen, da ich die Zukunft meiner Eltern absichern will?
Rückblickend betrachtet mag dies zwar nur der Fall bei einer Minderheit der Wähler*innen der Fall sein. Jedoch sind die diese Entscheidungen erwähnenswert und nicht unerheblich angesichts der zunehmenden demografischen Kluft zwischen jungen Wähler*innen und den Babyboomer-Generationen inklusive der folgenden Generationen. Die Tatsache, dass ebendiese jungen Wähler*innen im Grunde genommen bereits durch ihre schiere relative Anzahl im Nachteil sind, sollte man annehmen, dass sie ihr gemeinsames Wohl und vor allem ihre Zukunft im solidarisch-gemeinschaftlichen Sinne zusammenbringt und somit auch ihre Wahl auch einer solidarisch-strategischen Entscheidung folgt. Der Druck, dem man damit jedoch auch zu unterliegen scheint, mündete schlussendlich in einer Dilemma-Situation, die jeder für sich entscheiden musste. Obgleich man für sich oder nun doch für seine Eltern gewählt hat: jeder hatte die freie Wahl und hat so gewählt, wie er bzw. sie es für vertretbar hält. Und diese Entscheidung muss toleriert werden, egal ob sie einem gefällt oder nicht.